Kortisoninfiltration an Sehnen und Gelenken – Segen oder Risiko?
Die Injektion von Glukokortikoiden („Kortison“) gehört seit Jahrzehnten zur Schmerztherapie in der Orthopädie, Rheumatologie und Sportmedizin. Richtig eingesetzt, kann sie akute Entzündungen lindern und die Lebensqualität verbessern. Doch die Therapie birgt auch Risiken – insbesondere bei wiederholter Anwendung oder falscher Technik.
💉 Was ist eine Kortisoninfiltration?
Bei einer Kortisoninfiltration wird ein synthetisches Glukokortikoid (z. B. Triamcinolon oder Methylprednisolon) lokal in ein Gelenk oder periartikulär (z. B. in einen Schleimbeutel oder an eine Sehne) injiziert. Häufig erfolgt die Gabe zusammen mit einem Lokalanästhetikum wie Lidocain.
✅ Wirkungen – Warum Kortison überhaupt verwenden?
Entzündungshemmung: Hemmung von Prostaglandinen, Zytokinen, COX-2
Schmerzlinderung: Reduktion der Reizung durch Entzündungsmediatoren
Funktionsverbesserung: Bewegungsfreiheit steigt kurzfristig
Typische Indikationen:
Arthrose mit Reizzustand (z. B. Knie, Hüfte, Schulter)
Bursitis subacromialis
Tendinitis/Tendinopathie (z. B. Tennisellenbogen, Achillodynie – mit Einschränkungen)
⚠️ Risiken – Was spricht gegen die Kortisoninfiltration?
🦴 1. Knorpelschädigung
Glukokortikoide hemmen Chondrozytenaktivität und Matrixproduktion
Wiederholte intraartikuläre Injektionen beschleunigen degenerative Prozesse
🪢 2. Sehnen- und Bänderschäden
Verminderte Kollagensynthese → Abnahme der Zugfestigkeit
Risiko für Sehnenrupturen, v. a. bei Injektion nahe oder in die Sehne (z. B. Achillessehne, Supraspinatus)
🧫 3. Infektionsrisiko
Sehr selten (< 0,1 %), aber gefährlich: septische Arthritis
Strikte Asepsis erforderlich
💊 4. Systemische Nebenwirkungen
Blutzuckeranstieg, HPA-Achsen-Suppression, Hautatrophie, Depigmentierung
📉 5. Symptomverschleierung
Schmerzfreiheit kann zu Überlastung und struktureller Verschlechterung führen
🚫 Kortisoninjektionen – Wann vermeiden?
Kontraindikation | Beispiele |
---|---|
Infektion | Lokale oder systemische Entzündung |
Sehneninsertion | Direkte Injektion in Sehnenansätze (z. B. Achillessehne) |
Wiederholte Injektionen | > 3–4 pro Jahr pro Gelenk sind kritisch |
Degenerative Sehnenschäden | z. B. Tendinopathie mit Strukturveränderung |
🧭 Do’s & Don’ts bei der Kortisoninfiltration
Do’s:
Injektion in Gelenk oder periartikuläre Region, nicht in die Sehne
Minimal effektive Dosis verwenden
Kombination mit Lokalanästhetikum (zur Diagnostik oder Schmerzreduktion)
Bildgebungsgestützte Injektion (Ultraschall) bei schwieriger Anatomie
Don’ts:
Direkte Sehneninjektion
Serientherapie ohne genaue Indikation
Injektion in instabile oder stark degenerierte Gelenke
📚 Literaturauswahl
McAlindon TE et al. Effect of intra-articular triamcinolone vs saline on knee cartilage volume and pain in patients with knee osteoarthritis. JAMA. 2017;317(19):1967–75. doi:10.1001/jama.2017.5283
Dragoo JL et al. Effects of corticosteroids on musculoskeletal tissues. Am J Sports Med. 2012;40(2):488–94. doi:10.1177/0363546511429826
Galletti S et al. Achilles tendon rupture after corticosteroid injection: a case report and literature review. J Ultrasound. 2020;23(3):343–347. doi:10.1007/s40477-019-00430-5
Habib GS. Systemic effects of intra-articular corticosteroids. Clin Rheumatol. 2009;28(7):749–56. doi:10.1007/s10067-009-1177-x
Speed CA. Intra-articular steroid injections in the treatment of osteoarthritis of the knee. Ann Rheum Dis. 2001;60(9):723–6. doi:10.1136/ard.60.9.723
🧠 Fazit
Die Kortisoninfiltration ist ein effektives Werkzeug – aber kein Allheilmittel. Bei gezieltem Einsatz, guter Technik und klarer Indikation kann sie Schmerzen lindern und Zeit gewinnen. Doch bei falscher Anwendung drohen Gewebeschäden, die langfristig mehr schaden als nutzen.